Programm für demokratisches Handeln und gegen Extremismus

Diakoniepräsident für mehr Demokratieengagement - Diakonie blickt auf zwei Jahre "Demokratie gewinnt!" zurück

Im Rahmen der Tagung des Netzwerkes "Demokratie gewinnt" der vier ostdeutschen Landesverbände der Diakonie Deutschland am 16. Februar 2015 rief Diakoniepräsident Ulrich Lilie zu mehr Engagement für Demokratie und gegen Rassismus auf.

Bei den islamfeindlichen Protesten der vergangenen Wochen gehe es nicht um eine Konfrontation zwischen jüdisch-christlicher Tradition und Islam, sondern um einen Konflikt zwischen den Verfechtern und FreundInnen einer offenen Gesellschaft und antidemokratischen oder zumindest demokratieenttäuschten Akteuren.

Petra Zwickert bei der Begrüßung
Petra Zwickert bei der Begrüßung (© Diakonie Deutschland/Herrmann Bredehorst)
Eröffnet wurde die Tagung durch Petra Zwickert (Leitung des Zentrums Migration und Soziales, Diakonie Deutschland). In ihrer Begrüßung schilderte sie den Beratungs- und Entwicklungsprozess, aus dem das Programm „Demokratie gewinnt!“ entstanden war. Ziel sei es gewesen, innerhalb der Diakonie nachhaltige Strukturen zu schaffen, die dauerhaft gegen Rechtsextremismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wirken.

Im Rahmen der feierlichen Veranstaltung mit 75 Teilnehmenden wurden Zertifikate für die in den Seminaren des Landesverbandes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ausgebildeten DemokratieberaterInnen überreicht. “Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sind mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar“, sagte Diakoniedirektorin Barbara Eschen bei der Zertifikatsvergabe.

Teilnehmende der Seminare in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Teilnehmende der Seminare in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (© Diakonie Deutschland/Hermann Bredehorst)
Diese Berater hatten sich in den vergangenen beiden Jahren im Projekt „Demokratie gewinnt! In Brandenburg!“ zu Multiplikatoren ausbilden lassen, die nun vor Ort in ihren Einrichtungen und Diensten Ansprechpartner zu den Themen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit sind und demokratisches Miteinander vor Ort stärken. Inhalt der Ausbildung war neben dem Umgang mit Diskriminierung, Rassismus und Rechtsextremismus, die eigenen Kommunikations-und Konfliktlösungsfähigkeiten zu stärken und auf das Arbeitsfeld bezogene Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Auch die anderen Landesverbände stellten anhand von Beispielen ihre Projektarbeit aus den letzten zwei Jahren vor. René Lenz von der Diakonie Mecklenburg-Vorpommern berichtete von Erfahrungen im Umgang mit rechtsextremen Vorfällen in diakonischen Einrichtungen. Christoph Victor, Bereichsleiter Theologie des Diakonischen Werks der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland stellte das Projekt „Demokratie gewinnt! In Sachsen-Anhalt und Thüringen!“ vor. Einige der 30 ausgebildeten MultiplikatorInnen berichteten von ihren Erfahrungen. Sie beschrieben ihre Motivation, Demokratie in der Praxis umzusetzen zu lernen und gegen Diskriminierung und Marginalisierung zu arbeiten.

Für die Diakonie Sachsen sprach anschließend Michael Zimmermann mit Cornelia Heidrich, die als Demokratiestifterin ausgebildet worden war. Sie führte aus, dass es ihr in ihrer neuen Funktion darum gehe, Menschen dazu zu befähigen, einen demokratischen Standpunkt zu vertreten.

Im Rahmen der Veranstaltung gab es auch Beiträge aus Forschung und Journalismus. In seinem Vortrag „Was zu tun ist: Die Zivilgesellschaft in der Auseinanderset-zung mit Rechtsextremismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ analysierte der Journalist und Rechtsextremismusexperte Toralf Staud die Differenzierung und Modernisierung der extremen Rechten. Er formulierte Positionierungs- und Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Rechtsextremismus in der Praxis. Das klischeehafte Bild des Rechtsextremen, identifizierbar an Springerstiefeln, Glatze und Bomberjacke, sei endgültig passé. Die Szene habe sich in den vergangenen 15 Jahren erheblich gewandelt. Linke bzw. alternative Codes oder Prakti-ken würden imitiert und gewendet. Mit verschiedenen audiovisuellen Mitteln, unter anderem der HipHop-Kultur oder Hipsterästhetik entlehnt, platzierten rechtsextreme Gruppen ihre Botschaften auf Video- und Social-Media-Plattformen.

Den Abschluss bildete ein Vortrag von Dr. habil. Hilke Rebenstorf. Die Soziologin vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD referierte zu den Zusammenhängen zwischen Religiosität und Rechtsextremismus bzw. Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Studien hätten widersprüchliche Befunde zu diesen Zusammenhängen aufgezeigt. Dies habe die EKD zum Anlass genommen, eine eigene, mehrstufig angelegte Studie durchzuführen. Zuerst werden existierende Untersuchungen gesichtet und deren Datensätze sekundäranalytisch ausgewertet. Darauf werde eine eigene qualitative Studie folgen, mit deren Durchführung ein externes wissenschaftliches Institut beauftragt sei. Sichtung und Sekundäranalyse seien bereits abgeschlossen. In den Ergebnissen zeige sich, dass die Wirkung von Religiosität auf menschenfeindliche Einstellungen keine genaue Richtung aufweise. Religiosität könne Vorurteile befördern, aber auch vor ihnen schützen. Die zentrale Frage sei, unter welchen Bedingungen das eine oder das andere der Fall sei. Um dem auf den Grund zu gehen, solle Religiosität in der neuen Studie der EKD differenzierter untersucht werden. Es würde eine genauere Analyse von Theologie, Dogma, konkreten Glaubensinhalten, dem religiösen Umfeld und anderen Indikatoren durchgeführt. Ziel der Studie sei es zu identifizieren, was Kirche an welchen Stellen tun kann, um Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu minimieren.