Programm für demokratisches Handeln und gegen Extremismus

Spielerisch zu mehr Verständnis

Wie sich im Projekt „anders statt artig“ Ehrenamtliche und Profis gegenseitig ergänzen

erschienen in: "Couragiert", 09.10.17
von Susanne Kailitz

Fotos: Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V.

Team Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V.
Team, "anders statt artig" (© AdB)
Die letzten Monate waren intensiv – das merkt man Tabea Janson an. Wenn die 36-jährige Kulturwissenschaftlerin über ihren Job erzählt und aufzählt, womit sie im vergangenen halben Jahr beschäftigt war, wird sie schnell atemlos. Janson ist Projektleiterin des Projekts „anders statt artig – Kreative Ideen für interkulturelles Lernen“ beim Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V. (AdB). In dieser Funktion ist sie zuständig für den Austausch mit dem Projektpartner, der Landesjugend des Technischen Hilfswerks in Nordrhein-Westfalen. Gemeinsam arbeiten die Ehrenamtlichen des THW und die Expertinnen und Experten für politische Bildung des AdB an einem Pilotprojekt, in dem die interkulturelle Kompetenz im Verband der THW-Jugend NRW erhöht werden soll. Gefördert wird diese Zusammenarbeit durch das Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“, mit dem das Bundesministerium des Innern Projekte zur Stärkung demokratischer Teilhabe und gegen Extremismus fördert.
„Unsere Zielgruppe hat eine große Bandbreite“, erzählt Janson, „wir richten uns sowohl an die Jugendlichen der THW Jugend als auch an die erwachsenen Ehrenamtlichen, die den Jugendverband unterstützen. Damit betreiben wir politische Bildung sowohl für Jugendliche wie auch Erwachsene.“

Verantwortlich mit der Zeit umgehen


Die THW Jugend NRW sei mit 127 Ortsverbänden und mehr als 3 500 Jugendlichen der größte THW-Landesverband und damit ein besonders spannender Partner. „Was uns von anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir ausschließlich mit Menschen arbeiten, die sich ehrenamtlich engagieren. Das hat natürlich entscheidende Auswirkungen auf die Art der Zusammenarbeit: Da kann man nicht morgens um 10 Uhr eine Telefonkonferenz ansetzen, weil die Leute ja dann in ihrem eigentlich Job sind. Also kommunizieren wir viel über Whatsapp und Mails.“ Sie verstehe es als Verpflichtung, sagt Janson, mit der knappen Zeit der Ehrenamtlichen verantwortungsvoll umzugehen – ihr Job sei daher extrem outputorientiert.

Methodenwerkstatt, Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V. (AdB).
Methodenwerkstatt, "anders statt artig" (© AdB)
Und tatsächlich kann sich das, was im Rahmen von „anders statt artig“ in den letzten Monaten entstanden ist, sehen lassen. In fünf Methodenwerkstätten hat Tabea Janson gemeinsam mit den Teamenden des AdB und den Ehrenamtlichen der THW Jugend inzwischen Spiele und Methoden entwickelt, um das Thema interkulturelle Kommunikation so aufgreifen zu können. Dabei habe sich das Zusammenwirken der Profis auf ganz unterschiedlichen Gebieten ausgezahlt: Während die THW-Aktiven über ein riesiges fachliches technisches Wissen verfügten, könnten die Teamenden des AdB ihr Know-How in Sachen politische Bildung zur Verfügung stellen. So sei als erstes eine Funkrallye entstanden - eine Schnitzeljagd der anderen Art, bei der die Teilnehmer mit Hilfe von Planzeiger, Kompass und Stadtplan verschiedene Stationen abarbeiten und dort Aufgaben lösen müssen, um immer neue Ziel-Koordinaten zu bekommen. In einem zweiten Workshop sei ein Brettspiel entstanden, erzählt Tabea Janson, bei dem die Teilnehmer sich mit Flucht und Vertreibung auseinandersetzen und darüber sprechen, „dass Menschen mit Bedürfnissen geholfen werden muss“. Man setze bewusst auf den spielerischen Ansatz, sagt die Projektleiterin, gerade beim so sperrigen Thema interkulturelle Kommunikation erreiche man so die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am besten.

Ralley und Spiel sind nur zwei Bestandteile eines großen Methodenkoffers, der am Ende des Projekts entstehen soll. Auch zwei Planspiele sollen darin Eingang finden – in denen die Teilnehmenden sich zum einen damit auseinandersetzen können, wie man die Demokratie in der Organisation stärken könne und sich zum anderen die Frage stellen sollten, ob das THW wirklich für alle offen sei. Auch hier habe man es immer wieder mit den Besonderheiten des Verbands zu tun, sagt Janson: „Natürlich gibt es eine klare Hierarchie – im Einsatz wird nicht diskutiert, sondern das gemacht, was ein anderer sagt. Dort kann man nicht verhandeln, in anderen Bereichen aber schon.“

Ebenfalls in den Methodenkoffer solle eine Ausstattung für einen Videodreh – mehr als Schablonen, Begriffe, Eddings und ein Smartphone brauche es dafür nicht, so Janson. Auf der Facebook-Seite von „anders statt artig“ kann man sich Filme ansehen, die so bereits entstanden sind – zum Thema „Tolerant sein“ etwa oder was es bedeutet, dass das THW sich selbst als weltoffen bezeichnet. In der Arbeit mit den Jugendlichen sei sie immer wieder erstaunt, wie hoch deren Motivation und wie groß ihr Wissen sei, sagt die Projektleiterin. „Die sind viel fitter, als man ihnen gelegentlich zutraut. Wenn ich sehe, was da zum Teil innerhalb eines Nachmittags an guten Ideen auf den Tisch kommt und wie professionell alle Beteiligten dann an der Umsetzung dieser Ideen arbeiten, bin ich beeindruckt.“

Zusammenarbeit über den Tag hinaus


Noch bis Ende Februar würden die Bestandteile des Methodenkoffers getestet, erzählt Tabea Janson, danach solle es in den Ortsverbänden der THW Jugend NRW Schulungen geben. Dabei setze man auf ein lebendes System – wenn man über Rückmeldungen feststelle, dass bestimmte Dinge nicht so funktionierten wie gewünscht, könne man jederzeit korrigieren und nachbessern. Bisher sei die Resonanz ausgesprochen positiv, erzählt die Projektleiterin: „Wir bekommen oft das Feedback, dass die Spiele ja mal etwas ganz anderes seien, die Teilnehmer finden das in der Regel richtig cool.“
Gleichzeitig mit den Methodenkoffern entstünden über die Schulungen auch lokale Kooperationen zwischen den Ortsverbänden und Teamenden – diese Kooperationen, so hofft Janson, würden über die zweijährige Projektlaufzeit hinaus wirken. Grundsätzlich stelle sie immer wieder fest, wie vorbildlich sich das THW um seine Jugend kümmere, auch das werde immer wieder kommuniziert. Um die Aktiven, von denen viele den Großteil ihrer Freizeit in den Dienst des THW stellten, so gut wie möglich zu entlasten, mache der AdB ihnen auch Angebote, die nicht primär etwas mit interkultureller Kommunikation zu tun hätten . „Seminare zum Zeitmanagement etwa, denn das ist etwas, das wirklich entlastet und dann die Möglichkeiten schafft, sich des Themas inhaltlich anzunehmen“, so Janson.
Priorität hat nun aber der Output: In den nächsten Monaten sollen insgesamt 200 Methodenkoffer hergestellt werden, die auf Seminaren und Schulungen zum Einsatz kommen können. „Das fertig zu bekommen, ist ein ziemlicher Kraftakt“, sagt Tabea Janson, „aber wir wollen unser Versprechen einhalten.“