Programm für demokratisches Handeln und gegen Extremismus

PARTHNER fördert weltoffene Heimatpflege, -gestaltung und Demokratie im ländlichen Raum

Der Heimatbund Thüringen e.V. führt seit Januar 2013 ein Bildungs- und Vereinsentwicklungsprojekt im Rahmen des Bundesprogramms »Zusammenhalt durch Teilhabe« und des »Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit« durch. Im Projekt-Akronym PARTHNER sind die wesentlichen Projektziele bereits formuliert: »Für mehr Partizipation in unserer Thüringer Heimat – Nachhaltige Entwicklung ohne Ressentiments«.

Autoren: Alfred Bax, Leiter des Projektes PARTHNER beim Heimatbund Thüringen e.V.; Prof. Dr. Erich Schäfer von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena

Aus der Arbeit des Projekts PARTHNER


Heimatbund Thüringen
Workshop beim Heimatbund Thüringen
Die Projektaufgaben bestehen u.a. darin, durch Weiterbildung und Workshops die Kompetenzen von haupt- und ehrenamtlichen Akteuren aus ländlichen Kultur- und Bildungsvereinen zu erweitern. So wird der Eskalation von Konflikten vorgebeugt und demokratisch geführte Vereinsentwicklungsprozesse werden unterstützt. Eine weitere Aufgabe besteht darin, durch geeignete Formate und Aktivitäten mehr Partizipationsmöglichkeiten in der Vereinsarbeit zu schaffen sowie durch eine bessere Vernetzung, z.B. durch Angebote für gemeinsame Weiterbildung und Formen des Erfahrungsaustauschs der Akteure – vor allem im ländlichen Raum – die Vereinslandschaft zu stärken.

Seit 2013 haben insgesamt 30 VEREINS-PARTHNER in drei Ausbildungsdurchgängen die Basisqualifikation für ihre demokratiestiftende Tätigkeit erworben. Sie wurden hierbei sowohl für unterschiedliche Formen von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sensibilisiert als auch mit Kompetenzen zur Engagementförderung ausgestattet. Mit dieser Vorbereitung agieren sie anschließend handlungssicher als Multiplikator*innen dieser Themen in ihren Vereinen. Zur Anbahnung der internen Kommunikations- und Beratungsarbeit führen die VEREINS-PARTHNER selbst Praxismodule durch, bei denen sie durch quartalsweise angebotene Beratungsforen mit kollegialen Beratungsformaten sowie Coachingangeboten durch das Institut für Weiterbildung, Beratung und Planung im Sozialen Bereich IWIS e.V. begleitet und unterstützt werden. Die verschiedenen Aktivitäten werden durch eine formative Evaluation ausgewertet und reflektiert. Auf diese Weise kann durch ein kontinuierliches Feedback steuernd auf die Projektumsetzung eingewirkt werden. Anpassungen von Formaten und Inhalten werden unmittelbar im Team beraten und deren Umsetzung organisiert.

Seit 2017 findet zudem eine Erweiterung des Aktionsradius der VEREINS-PARTHNER auf die Netzwerke und Gemeinwesen statt, in die ihre Vereine und Initiativen vor Ort eingebunden sind. Der Heimatbund wirkt hierbei in drei sogenannten Modellregionen als PARTHNER vor Ort. Hier analysiert er zusammen mit den als Projektverantwortlichen vor Ort agierenden VEREINS-PARTHNERN die Potentiale und kritischen Momente der lokalen Zusammenarbeit, bietet auf Netzwerkkonferenzen eine moderierte Plattform zur Anstiftung und Strukturierung örtlicher Engagementkooperationen und begleitet diese durch bedarfsorientierte Weiterbildungen und andere Formate. Ein anschaulicher Praxisbericht der Modellregion Saalleiten ist in der aktuellen BBE-Förderbroschüre zu finden. Für die Aktivitäten in den Modellregionen sind die begleitenden Coachingangebote eine wichtige Unterstützung. Noch in Entwicklung befindliche Evaluationsformate und gemeinsam mit den Akteuren zu bestimmende Erfolgsindikatoren werden weitere Orientierung bei der Zielerreichung geben. Wertvolle Vernetzungsmöglichkeiten für die im ländlichen Raum das Engagement tragenden Multiplikator*innen sind die für Mitglieder und Kooperationspartner des Heimatbundes Thüringen e.V. offenen Wahlmodule zu vereinsrelevanten Seminar- und Workshopthemen. Mittels partizipationsfördernder und demokratiestärkender Elemente in den Wahlmodulen gelingt es, mit zielgruppenadaptierten Formaten politische Bildung zu vermitteln, und somit sonst nur schwer hierfür erreichbare gesellschaftliche Akteure einzubeziehen.

Eine Beraterin des Heimatbunds Thüringen im Workshop
Eine Beraterin des Heimatbunds Thüringen im Workshop
Durch den Projektleiter und die Projektmitarbeiter*innen werden auch im Verein Heimatbund selbst Prozesse zur Vereinsentwicklung angestoßen und begleitet, wie z.B. Rahmenbedingungen für das Engagement von Freiwilligen und ein Leitbildprozess zur Definition von Zielen, Werten und Haltung des Verbandes. Die positionsbestimmenden Aussagen des Leitbildes sind für die Vereinsentwicklung wichtig, so etwa die Ablehnung von Ausgrenzungen Fremder und der Einbeziehung aller interessierten demokratischen Akteure zur Umsetzung einer weltoffenen Heimatpflege. Für Vorstand, Mitglieder und Mitarbeitende sowie insbesondere vor Ort ehrenamtlich tätige Multiplikator*innen des Heimatbundes wie z.B. die in vielen Landkreisen berufenen Kreisheimatpfleger*innen wird damit ein wichtiger Orientierungsrahmen geschaffen.

Ergebnisse des Thüringen-Monitors


Diese Orientierung ist umso wichtiger, da im Zuge des zunehmenden Rechtspopulismus entsprechende Kreise und Kräfte versuchen, den Heimatbegriff ausgrenzend zu missinterpretieren. Für solche Agitationsversuche werden gern Vereine, Netzwerke und die Bevölkerung des ländlichen Raums ins Visier genommen. Deshalb ist es so wichtig, für die Wahrnehmung solcher Strategien zu sensibilisieren, wie die durchaus ambivalenten Ergebnisse des Thüringen-Monitors zeigen.

Der Hinweis auf einen scheinbaren Zusammenhang zwischen Heimatverbundenheit und Fremdenfeindlichkeit liefert der aktuelle »Thüringen-Monitor«, der für 2018 den Titel »Heimat Thüringen« trägt. Unter der Kapitelüberschrift – »›Heimat‹: Lebenswirklichkeit, die Bindungen und Zusammenhalt stiftet« – wird festgestellt, dass für 96 Prozent der Thüringer*innen Heimat eher oder sehr wichtig ist – der Bundesdurchschnitt einer vergleichbaren Allensbach-Befragung liegt bei lediglich 77 Prozent. Dieser zunächst für uns als Heimatbund sehr erfreuliche Wert wird von weiteren Ergebnissen der Befragung getrübt: »Heimatverbundenheit, Vorstellungen von einer exklusiven Gemeinschaft der Ansässigen und Ausgrenzung von ›Fremden‹ bilden (...) einen Zusammenhang.« Allerdings ist das Ergebnis bei näherer Betrachtung komplexer. Während Befragte, die sich stark mit Deutschland identifizieren, in höherem Maß dazu neigen, rechtsextreme, ethnozentrische und neo-nationalsozialistische Positionen zu unterstützen, sind entsprechende Einstellungen bei denen, die sich stark mit ihrer eigenen Gemeinde bzw. Europa identifizieren, geringer. Die Autor*innen des Thüringen-Monitors kommen deshalb zu der Einschätzung, »dass eine gute eigene Integration in lokale und regionale Lebenswelten durchaus kompatibel, ja sogar förderlich für eine Offenheit gegenüber ›Fremden‹ sein kann.«

Der Heimatbund Thüringen "Für eine weltoffene Heimatpflege"
Der Heimatbund Thüringen "Für eine weltoffene Heimatpflege"
Durch die Ergebnisse des Thüringen-Monitors sehen wir uns einerseits in den Inhalten und Formaten unseres bisherigen Engagements im Projekt PARTHNER bestätigt und sie motovieren uns anderseits für eine nachhaltige Weiterentwicklung und Weiterführung unserer Arbeit, die auf eine gute Integration in lokale und regionale Lebenswelten setzt und damit den Gedanken einer weltoffenen Heimatgestaltung befördert. Weitere Informationen zum Projekt PARTHNER sowie zum Heimatbund sind in der Zeitschrift »Heimat Thüringen« zu finden. Hier sind seit 2012 bislang fünf Themenhefte mit Beiträgen aus dem Projekt PARTHNER erschienen. Die Hefte können kostenlos angefordert werden. Eine Auswahl der im Projekt entwickelten methodischen Ansätze im Bereich Flucht/ Asyl findet sich in der Handreichung »Willkommen! – Interkulturelle Öffnung in Vereinen und Organisationen«.



Der Beitrag ist ursprünglich im BBE-Newsletter für Engagement und Partizipation in Deutschland Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) erschienen, der hier aufgerufen werden kann.