Programm für demokratisches Handeln und gegen Extremismus

„Beratung ist keine Wissenschaft, das ist eine Tätigkeit“

In seinem Vortrag nahm Wolfgang Looss den Begriff „Beratung“ auseinander: Was auf den ersten Blick etwas sperrig mit „Professionalisierung von Verbandsberatung in kommunalen Netzwerken“ betitelt war, erwies sich als kompaktes Einmaleins der Beratung: Was wird von Beraterinnen und Beratern – manchmal fälschlicherweise – erwartet? Was können und sollen Beratungspersonen leisten? Und welches Handwerkzeug hilft ihnen dabei?

Vortrag Dr. Wolfgang Loos
Vortrag Dr. Wolfgang Loos


Erwartungen...



Dr. Wolfgang Looss ist seit 35 Jahren als Berater tätig. Seinen Vortrag beginnt er mit einer Reihe von Erwartungen, die an seinen Beruf gerichtet werden. Beraterinnen und Berater würden sich mit vielen Wünschen, teils Heilserwartungen konfrontiert sehen: Die Beratungsperson solle gleichzeitig Moderator sein, als Schiedsrichter alte Beziehungskonflikte entrümpeln und Bündnispartner für die eigene inhaltliche Position in Meinungsstreitigkeiten sein. Oft werde auch erwartet, dass der Berater oder die Beraterin als emotionale Stütze in der allgemeinen Überbelastung fungiere. Beraterinnen und Berater würden auch als Resonanzboden und zweite Meinung verstanden oder aber als reflexiver Sparringpartner.

...und Realität der Beratung



In der realen Beratungssituation sehe sich die Beraterin oder der Berater nicht nur mit diesen Erwartungen konfrontiert, sondern auch mit einem großen Durcheinander. Looss’ Tipp: „Man muss sich daran gewöhnen, das normal zu finden. Wenn Sie beraterisch irgendwo hinkommen, dann haben Sie die Aufgabe, sich nicht zu erschrecken.“ Darüber hinaus könne man als Beratungsperson ganz bestimmte Leistungen für die Menschen vor Ort erbringen: Looss sieht Beraterinnen und Berater als „Realitätskellner“, die dazu da seien, den Menschen Realität zu servieren. Sie müssten Fakten liefern und Fragen stellen, damit ein Stück Realität in die Situation komme, die eine Mischung aus vielen Gefühlen, Absichten und Taktiken sind. Sie seien aber auch Pädagogen, die Instruktionen geben, und Zeremonienmeister für Klärungsprozesse. Als solche hätten sie die wichtige Aufgabe, „Kommunikationsgefäße“ zur Verfügung zu stellen – also Möglichkeiten, um miteinander in Gespräch zu kommen. Sie könnten nicht nur Sparringspartner für den fachlichen Diskurs sein, sondern auch Katalysatoren für Selbsteinsichten und Selbstreflexion und eine Unterstützung: „Nicht alle Beratungsmenschen mögen das, aber es gehört zum Job“, so Looss. „Vor Ort treffen Sie auf individuelles Leiden und individuelle Emotionen. Dann ist eine Frage: Will und kann ich an dieser Stelle zur Verfügung stehen?“

Denkzeug und Standardfragen



In ihrer Arbeit stehe den Menschen beraterisches Denkzeug zur Verfügung, das vor Ort nützlich sein könne. „Beratung ist keine Wissenschaft, das ist eine Tätigkeit“, sagt Looss über seine Arbeit. Das alles seien nur normale, menschliche Tugenden, Beraterinnen und Berater hätten das nur ausgebaut. Wenn man als Beraterin oder Berater in eine neue Situation kommt, müsse man sich mit der Akteurslandschaft und den zugrundeliegenden Interessen der Akteure auseinandersetzen. Ein diagnostischer Blick sei dabei wichtig, damit man in einer Form von Landkarte seine Beobachtungen sortieren kann. An zwei Standardfragen komme man in der Beratung nicht vorbei: Wer ist mein Klient? Am wichtigsten sei der primäre Klient. Das ist die Person, der das Problem gehört, das Arbeitsgegenstand ist. Man solle dieser Person nicht das Problem wegnehmen, aber man soll sie dabei unterstützen, es zu erkennen und zu lösen. Daraus ergibt sich auch die zweite Standardfrage der Beratung: Worin besteht das Problem, das die Primäraufgabe des Klienten gefährdet? Da es in einem Verband oder Verein ganz unterschiedliche Ansichten gebe, was dieses Problem ist, müsse man sich an dieser Stelle um eine Vergemeinschaftung der Problemsicht bemühen. „ Was ist unser Problem? Da kriegt man lauter unterschiedliche Antworten.“ Aber wenn es nicht ein Minimum an Gemeinsamkeiten gebe, sei Beratung nicht sinnvoll. „Dann nützt Beratung nicht viel, dann wird daraus Anmaßung Besserwisserei, Belehrung, Missionierungsarbeit.“

SG