Programm für demokratisches Handeln und gegen Extremismus

Willkommen in Welzhausen

Proteste vor Flüchtlingsheimen, besorgte Bürgerinnen und Bürger – solche Nachrichten kann man zurzeit häufig in der Zeitung lesen. Auch in dem Planspiel „Willkommen in Welzhausen“ sind Proteste bei einem Fest für Geflüchtete die Ausgangssituation.

Willkommen in Welzhausen
Willkommen in Welzhausen (© Peter van Heesen)


Wir befinden uns in Welzhausen - einer eigentlich sehr offenen und toleranten Stadt. Doch die Stimmung droht zu kippen: Nachdem bei den Protesten auch einige Mitglieder des Handball-Vereins lautstark mitgewirkt haben, überlegen sich Vereins- und Verbandsleitung, wie man damit weiter verfahren soll. Fackeln vor dem Gemeindehaus als Reaktion auf das Willkommensfest, Drohungen und Schilder mit Sprüchen wie „Das Boot ist voll“ bestimmen die Situation. Was tun? Das Bürgermeisteramt lädt Vertreterinnen und Vertreter aus Verwaltung, Politik, und Zivilgesellschaft zu einem Krisengipfel ein, um zu rekonstruieren, wie es zu dem Vorfall kam.

Ziel des Planspiels ist es, einen Perspektivwechsel zu bekommen. Die Teilnehmenden schlüpfen dabei in ganz neue Rollen und sollen so vielleicht sogar Empathie für Menschen mit anderen Ansichten entwickeln. Im Anschluss werden Probleme beschrieben und Lösungsansätze entworfen.

Nach der Einführung und ein paar Tipps der Teamerinnen geht es auch schon los. Die Teilnehmenden ziehen Zettel mit ihren Rollen und lesen sich in ihre Person ein. Vom Bürgermeister, der evangelischen Gemeinde, bis zum Sportverband der Stadt und dem traditionsverbundenen „Altwelzhausener-Verein“ ist alles dabei. Die meisten vertreten Ansichten, mit der sie sonst überhaupt nicht übereinstimmen. Gar nicht mal so einfach, denke ich, und schaue geband zu.

Und dann geht es auch schon los: Der Bürgermeister und seine Stellvertreterin eröffnen die Sitzung. Die Meinungen gehen schon jetzt auseinander: „Das war doch lange vorher klar“, so das Stadtratsmitglied der CDU. Die SPD wiederum sieht erstmal kein Problem: „Welzhausen ist doch eine offene Stadt mit großer Willkommenskultur“ und dann geht es gegen die Polizei: „ Ihr greift nicht ein, seid nie da“. Die Sozialpädagogin hat Angst und bekommt Morddrohungen, die „Altwelzhausener e.V.“ fühlen sich von Flüchtlingsmännern bedroht und befürchten einen Verlust ihrer deutschen Kultur.

Die Fetzen fliegen. Der Vertreter der Geflüchteten gibt ein klares Statement: „Wir müssen aufhören, von Geflüchteten zu reden, und anfangen, mit ihnen zu reden.“

Der Krisengipfel endet nach 50 Minuten mit dem Statement des Bürgermeisters. Er und seine Stellvertreterin fassen das Gesagte zusammen und legen klare Vorhaben vor. Die Geflüchteten wollen sie stützen, sie in Vereine und Verbände mit einbeziehen und Schulungen durchführen.

Reality-Check

In der nächsten Phase heißt es nun wieder: Raus aus den Rollen, zurück zum eigentlichen Ich. Die Teilnehmenden berichten von ihrer Erfahrung: Einigen fiel es gar nicht so schwer, sich in die neue Rolle einzufühlen: „Man hört diese Sprüche ja oft, da ist man das fast schon gewohnt.“ Julia Reutelhuber von Arbeit und Leben Thürigen beschreibt, dass ihr bei diesem Spiel besonders klar wurde, wie schwierig es ist, nachzuvollziehen, wer beispielweise in einem Verband oder Verein wie positioniert ist.

Nun werden Probleme an der Pinnwand gesammelt und Kleingruppen zur Findung möglicher Lösungsansätze gebildet. Fehlende Positionierung, keine neutrale Moderation, Unsicherheit, unklare Begriffe und die Rolle der Medien stechen dabei als Probleme besonders stark ins Auge. Die Lösungsansätze beginnen bei Empathie bis zu Aufklärung – sie nehmen kein Ende. Auch der angepeilte Abschluss um 18.00 Uhr ist durch die rege Diskussion nicht zu schaffen.

Auf dem Weg zum Abendessen fange ich noch einmal den Bürgermeister ab. In der Sitzung sagte er: „Wir alle haben die Augen verschlossen. Eigentlich müssten wir uns doch selber fragen: Was ist da los, dass Leute sich trauen auf einer Veranstaltung Menschen fremdenfeindlich anzubrüllen und Gegenstände auf Leute zu werfen, die sie nicht kennen und die ihnen nichts getan haben.“
Resa Memarnia vom AWO Bundesverband e.V. steckt hinter der Person des Bürgermeisters. Was er aus dem Planspiel mitnimmt? „Man trifft auf große Abwehrhaltungen und Unsicherheiten. Damit muss man lernen, umzugehen.“ Menschen müssten als Individuum gesehen werden. „Wenn ich dich sehe, bist du nicht die junge Frau“, spricht er mich direkt an, „sondern du. Wir müssen es schaffen, einander nicht in Schubladen zu stecken.“ Als Bürgermeister habe er wahrgenommen, wie wichtig es ist, einen Raum zu schaffen, in dem alle Positionen wahrgenommen werden und Dinge besprochen werden können.

Mein kurzes Fazit zum Planspiel? Ein absolut realitätsnahes Beispiel, dass unbedingt jeder einmal ausprobieren sollte!

KD