Programm für demokratisches Handeln und gegen Extremismus

Futter für die Fische

Fish-Bowl: Praxis Check- Politische Bildung in der Verbandsarbeit



Fishbowl-Diskussion
Fishbowl-Diskussion (© Peter van Heesen)


Während ein Teil der Teilnehmenden Magdeburg zu Fuß erkundet, finden wir uns in einer Fishbowl-Diskussion wieder. Die üblichen Gesprächsrunden und Podiumsdiskussionen sind uns bekannt. Eine Fishbowl-Diskussion allerdings war für uns eine ganz neue Art des Gespräches.

Die Moderatorin unserer Tagung, Miriam Janke, erklärt die Spielregeln: Das sogenannte „Goldfischglas“ besteht aus sieben Stühlen. Fünf davon sind von Hanne Wurzel, Fachbereichsleiterin Extremismus bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), Arne Busse, Fachbereichsleiter zielgruppenspezifische Angebote bei der bpb, Cornelia Habisch von der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt, Dr. Axel Lubinski, Referatsleiter „Politische Bildung, Prävention, Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ im Bundesministerium des Inneren, und Alexander Holmig vom Arbeitslosenverband Dt. LV Brandenburg e.V. besetzt. Die verbleibenden zwei freien Stühle sind für die Teilnehmenden aus dem gegenübersitzenden Publikum. „Wenn Sie etwas sagen wollen, kommen Sie rein“, ermuntert Moderatorin Miriam Janke.

Sie leitet die Diskussion mit der Frage ein: „Warum sind wir eigentlich hier?“ Im Publikum sitzen Teilnehmende, die sich für passgenaue Materialien interessieren. Es soll ein Brainstorming stattfinden: Welche Materialien benötigen wir, was gibt es bereits und wie finden wir das?

Axel Lubinski würde von den Teilnehmenden gern erfahren, was sie sich schon immer für ihre Arbeit vor Ort gewünscht haben: „Wir möchten Bedarfe unmittelbar erfahren und passgerecht konfektionieren“.

Aber wie kann man in Erfahrung bringen, was gebraucht wird? Es sei wichtig, schon im Vorfeld noch stärker einen empathischen Zugang zur Zielgruppe zu schaffen, erklärt Alexander Holmig.

Hanne Wurzel stellt sich vor allem die Frage, wie eine Publikation genau aussehen und was enthalten sein muss. Dabei seien gerade verständliche und knappe Infos mit Handlungsempfehlungen empfehlenswert. Denn: „Wissen ist Macht, Wissen stärkt.“ Man müsse Anregungen und Hilfestellungen geben, um Haltungen und Positionierungen zu erzeugen. Zudem sei es wichtig, sich mehr Zeit für die Bedarfsermittlung der Zielgruppe zu nehmen.

Arne Busse beschreibt, dass sein Fachbereich auch Unterhaltungsformate anbietet. „Bei Jugendlichen besteht durchaus politisches Interesse, allerdings sind sich einige dem gar nicht bewusst.“ Um ihr Angebot verbessern und anpassen zu können, arbeiten er und sein Team viel mit Evaluationen und Feedbacks.

„Es ist eine hohe Kunst, in der politischen Bildung ein Gefühl dafür zu entwickeln, was die Zielgruppen wollen“, bringt es Cornelia Habisch auf den Punkt.

Nach diesen Statements ist das Goldfischglas eröffnet. Es soll über die verschiedenen Zielgruppen diskutiert werden und darüber, wie auf diese unterschiedlich einzugehen ist. Zuerst will noch keiner so recht der oder die erste sein. Doch dann setzt sich die erste Teilnehmende ins Glas und bringt die Zielgruppe der Sport- und Schiedsrichter mit ein. „Bei Handreichungen sollte man genau schauen: Wen spreche ich an und was spricht meine Zielgruppe für eine Sprache?“ Man solle weg von Flyern. „Das landet eh nur alles im Papierkorb“.

Filme werden in die Gesprächsrunde eingebracht. Sind sie wirklich ein Medium für ALLE Zielgruppen?
Patrick Siegele vom Anne Frank Zentrum setzt sich dazu. „Es geht darum, Handlungskompetenzen zu vermitteln. Demokratie darf nicht nur theoretisch vermittelt werden, sondern die Interessierten müssen aktiv dabei sein.“ Er empfiehlt den Peer-to-Peer Ansatz. Die Erwachsenen müssten sich dann etwas zurücknehmen, denn: „Jugendliche möchten sich engagieren. Wir müssen nur Räume schaffen und sie einfach machen lassen.“

Im Goldfischglas herrscht nun ein Kommen und Gehen. Eine Teilnehmende erklärt, dass man auch versuchen sollte Gruppen wie die Russland-Deutschen zu erreichen. Die bpb habe wunderbare Materialien, diese müssten jedoch für die Zielgruppe übersetzt werden. Ein Mann von der Feuerwehr weist daraufhin, dass es wichtig sei den Empfängerhorizont abzustecken – es müssten sowohl die unterschiedlichen Altergruppen als auch die verschiedenen Bildungsschichten berücksichtig werden. In der Folge bestehe Bedarf an sehr vielen verschiedenen Materialien. Als einer der Letzten betritt ein Teilnehmender vom Netzwerk für Demokratie und Courage e.V. das Goldfischglas. Er erklärt, dass es sich bei politischer Bildung in erster Linie um Beziehungs- und Kommunikationsarbeit handele. Formate und Publikationen sollten nicht nur an die Zielgruppen weitergegeben werden, sondern es sollte Menschen geben, die diese für die Zielgruppe übersetzen und mit ihr diskutieren. „Es kommt auf die Nähe dieser Menschen an und darauf, dass sie die Kompetenz haben, mit den Materialien der politischen Bildung zu arbeiten“, ist er überzeugt. Hierfür brauche es Kommunikatoren, die erst einmal eine Nähe zur politischen Bildung schaffen. Wichtig sei, dass analysiert wird, warum sich Menschen für Politik interessieren. Aus seiner Sicht habe die politische Bildung einen viel zu niedrigen Schwellenwert und es sei eine Lebensaufgabe, dies zu ändern.

Ehe wir uns versehen ist der Praxis-Check auch schon vorbei. In der letzten Stunde haben wir nicht nur viel über Zielgruppen sowie über Möglichkeiten und Wege, diese zu erreichen, erfahren, sondern wissen nun auch, was sich hinter diesem ominösen Begriffspaar „Fishbowl-Diskussion“ verbirgt. Und wer weiß, vielleicht sind wir das nächste Mal ja auch mutig und wagen uns vor ins Goldfischglas.

SSP/KD